Ägyptenbericht Dezember 2019

Die Entwicklung der Bewusstseinsseele – ein Heilmittel für die heutige Zeit

Bericht zur Fortbildungsreise in Ägypten

Bei der Ägyptenreise im Dezember 2019 setzten sich die Teilnehmer mit der Entwicklung eines schöpferischen Bewusstseins oder – fachlich ausgedrückt – der Bewusstseinsseele und mit den neuen Perspektiven und Lösungen, die sich damit gegenüber den Problemen der heutigen Zeit eröffnen, auseinander. Die Fragestellungen, gedanklichen Ansätze und Möglichkeiten der Umsetzung, die über die Tage in dem gemeinsamen rhythmischen Zusammenwirken erarbeitet wurden, erscheinen mir für einen größeren Kreis von Menschen relevant. Deshalb möchte ich mit diesem Bericht einige der Gedanken, die mir besonders wesentlich erscheinen, darstellen. Wo es mir für ein besseres Verständnis notwendig erschien, habe ich eigene Erweiterungen hinzugefügt.

Das Arbeiten beim Seminar erfolgte wechselweise einmal mehr in einem gedanklichen Aufbau, bei dem verschiedene Teilnehmer Fragestellungen und eigene Darstellungen zu bestimmten Sachverhalten und Inhalten darlegten. Unter der fachkundigen Moderation von Heinz Grill führten wir diese Gedanken und Inhalte zu einer zunehmenden Konzentration, so dass sie an Substanz gewannen. Dann wiederum wurde in der Praxis mit den Yogaasana erlebbar, wie mit der Umsetzung von gedanklichen Vorstellungen, die bis in eine gute Konzentration gebracht wurden, ein sehr freies und weites Empfinden auch in schwierigeren Übungen, bei denen der Körper eine nicht gerade kleine Bedrängnis signalisiert, entwickelt werden konnte. Auf diese Weise wurden erstaunliche Fortschritte in der Fähigkeit der Durchgestaltung einer Yogaübung erzielt, die sich sowohl in einem besseren ästhetischen Ausdruck, wie auch in einer fortgeschritteneren Ausführung zeigten.

Intellektuelle Informationen haben keine Kraft

Eine wichtige Beobachtung, die während des Seminars in das Bewusstsein geführt wurde, möchte ich an den Anfang stellen. Blickt man heute auf die Situation in der Welt, so bemerkt man, dass viele Missstände bestehen. Andererseits gibt es vielfache Bemühungen, die Missstände aufzuzeigen und bessere Verhältnisse herbeizuführen. Im Journalismus beispielsweise gibt es ernsthafte und auch sehr fachkompetente Bemühungen, die Berichterstattung zu mehr Wahrheitsgehalt zu führen und wahrheitsgemäße Informationen, die den Tatsachen entsprechen, bereitzustellen. Man kann heute genau genommen nicht mehr sagen, die richtigen Informationen würden nicht zur Verfügung stehen. Auffällig ist jedoch, dass trotz aller Informationen nur sehr wenige wirkliche und nachhaltige Veränderungen in die Gesellschaft hineinfinden. Ganz offensichtlich fehlt die Kraft zur praktischen Umsetzung der Informationen.

Auch bei den verschiedenen Beiträgen und Wortmeldungen der Teilnehmer waren Unterschiede in Bezug auf die Kraft oder die Substanz, die damit verbunden war, wahrnehmbar. Es gab Beiträge, die vom informativen Gehalt her richtig waren, aber bei genauerer Betrachtung wie kraftlos wirkten. Wieder andere Beiträge waren von der fachlichen Aussage her noch eher holprig, strahlten aber mit einer gewissen Kraftsubstanz nach außen. Aus diesen Beobachtungen entwickelte sich folgende sehr zentrale Fragestellung: Wie bekommt eine Information oder eine Aussage eine wirkliche Kraft?

Wie bekommt eine Information oder Aussage eine wirkliche Kraft?

Das intellektuelle Aufnehmen und Wiedergeben einer Information alleine, wie es mit der heutigen Schuldbildung vermittelt wird, ist gemäß dieser Beobachtung nicht ausreichend, damit auch eine Kraft für die Umsetzung vorhanden ist. Damit wirklich eine kraftvolle Substanz entstehen kann, ist es erforderlich, das Denken über das gewöhnliche, heute verbreitete Denken hinauszuführen und zu vertiefen, führte Heinz Grill aus. Dies sei der Beginn der Entwicklung der Bewusstseinsseele. Im Yoga entspricht die Bewusstseinsseele dem entwickelten ajna cakra (6. Zentrum). Dieses Zentrum befindet sich in der Mitte der Stirn und ist der „Ort der Wahrheit“ (satyaloka). „Satya“ heißt übersetzt „Wahrheit“ und die Silbe „sat“ bedeutet „Sein“. Gemeint ist damit, dass ein Gedanke, der zunächst einmal nur als Idee existiert, durch die Denktätigkeit des Menschen zu einem Sein geschaffen wird, das real vorhanden ist und damit auch reale Wirkungen bis in die physische Welt freisetzt. Dieses Zentrum ist mit der Fähigkeit verbunden, das Leben aus einer gedanklichen Führungskraft eigenständig zu lenken und aus einer Gedankenbildetätigkeit die Substanz für die Umsetzung von Neuem, für Entwicklung zu schaffen.

Beginnende Stufe: Die Entwicklung des Denkens zu manas

Die Seele des Menschen besitzt drei Grundkräfte, das ist die Gedankenkraft, die Empfindungskraft und die Willenskraft. Der erste Schritt für die Entwicklung der Bewusstseinsseele ist die Entwicklung des Denkens zu einem reinen Denken. Im Yoga wird dies als manas bezeichnet. Das reine Denken bezeichnet ein Denken, das nicht mit Emotionen und auch nicht mit dem Wollen vermischt ist, sondern in Klarheit und Logik in einem Gedanken lebt und daraus eine wahrheitsgemäße Vorstellung aufbaut.

Mittlere Stufe: Die Entwicklung des Fühlens zu buddhi

Wird die vom Denken aus dem Gedanken geschaffene Vorstellung wiederholt und über einen ausreichenden Zeitraum im Bewusstsein aufrecht erhalten, so entwickelt sich damit ein Wahrheitsfühlen oder Wahrheitsempfinden. Im Yoga heißt dieses entwickelte Fühlen buddhi. Der Gedanke, der im Denken noch als reine Vorstellung abstrakt bleibt, wird jetzt auch empfunden. Auf dieser Stufe ist bereits eine Substanz oder Kraft vorhanden.1

Fortschrittliche Stufe: Die Entwicklung des Willens zu atman

Bei einer weiteren Vertiefung drückt sich der Gedanke bis hinein in den Willen aus. Diese Entwicklungsstufe wird als atman bezeichnet. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Gedanke unmittelbar durch die Person ausdrückt und strahlend und ordnend in die Umgebung ausstrahlt. Die Person wirkt authentisch und entwickelt eine wirkliche Moralität2.

Die Entwicklung der Bewusstseinsseele benötigt den Mut zur individuellen Führung

Für die Entwicklung der Bewusstseinsseele braucht es, wie Heinz Grill ausdrückte, den Mut zur individuellen Führung und die Entscheidung, sich nicht vom Kollektiv führen zu lassen. Aussagen, die nicht nur ausgehend vom Intellekt getätigt werden, sondern im Sinne der Bewusstseinsseele durch eine eigene forschende Denktätigkeit durchdrungen sind, sind projektionsfrei und drücken einen wahren Sachverhalt aus. Sie sind universal, das heißt, sie haben eine allgemeine Gültigkeit, weil sie einer Wahrheit entsprechen. Sie sind polaritätsfrei, weil sie aus einer Ebene gemacht werden, die außerhalb der Polaritäten mit einer integrativen Gesamtsicht zu den Verhältnissen gerichtet ist. Die Bewusstseinsseele ist deshalb auch weniger mit sozialen Dienstleistungen in Verbindung zu bringen, ihr Wirkungsfeld ist weitaus umfassender, da eine Wirkung im Irdischen und im Seelisch-Geistigen, damit auch im Nachtodlichen entsteht.

Die Unterscheidung zwischen dem guten Menschen und dem schöpferischen Menschen

Um den Unterschied zwischen einem Dienen und Helfen auf sozialer Ebene und einer wirklich schöpferischen Gedankentätigkeit im Sinne der Bewusstseinsseele mehr in das Bewusstsein zu führen, warf Heinz Grill folgende Fragestellung, die den ganzen Menschen im Seelisch-Geistigen betrifft, auf: Wie sieht es im Nachtodlichen aus für den guten Menschen und wie für den schöpferischen Menschen? Und wie wirken diese jeweils auf die Hinterbliebenen zurück?

Es ist auffällig, dass der gute Mensch, der soziale Dienste tut und anderen bestmöglich hilft, im irdischen Leben meistens besser durchkommt. Er macht, womit alle einverstanden sind. Der schöpferische Mensch hingegen hat es meistens schwieriger, eventuell wird er sogar angegriffen. Heinz Grill beispielsweise, der eine sehr weitreichende schöpferische Bewusstseinsaktivität im Leben umsetzt, erhält seit vielen Jahren vehemente Angriffe. Die Frage, wie es seelisch gesehen bzw. im Nachtodlichen wirklich aussieht, ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutungsvoll. Allgemein kann man feststellen, dass die wirklichen Beziehungen, die der Mensch im Leben aufbaut, und die schöpferische Auseinandersetzung, die der Mensch im Leben leistet, nach dem Tod bleiben. Das, was versäumt wird in der Entwicklung, ist dann auch nach dem Tod nicht vorhanden.

Notwendiger Basisschritt: intensiv auf den Gedanken zugehen, nicht nur rezipieren

Der Basisschritt zur Entwicklung der Bewusstseinsseele ist folgender: Man geht von einem wahren Gedanken aus und denkt diesen eigenständig, bis sich ein tieferes Verständnis dazu entwickelt. Das heißt, man reproduziert diesen nicht nur aus der Erinnerung und ahmt ihn auch nicht nur schnellfertig nach. Heinz Grill betonte, dass es notwendig sei, intensiv auf den Gedanken zuzugehen und ihn richtig zu erforschen und nicht nur bei der bloßen Rezeptivität stehen zu bleiben. Es handelt sich hierbei um eine hochaktive Tätigkeit, die der heutige Mensch nicht gewöhnt ist, und deshalb erscheint sie erst einmal recht schwierig, obwohl sie im Grunde leicht ist.

Die wichtige Übung der Konzentrationsbildung

Die Übung zur Konzentrationsbildung bildet die wesentliche Übung zur Entwicklung der Bewusstseinsseele. Die verschiedenen Schritte der Konzentrationsentwicklung von einem ganz einfachen Beginn bis hin zu einer sehr fortgeschrittenen Stufe wurden von Heinz Grill im Buch „Übungen für die Seele“ beschrieben. Eine entscheidende Voraussetzung für die Konzentration ist, dass der Gedanke nicht zu schnell nach innen genommen wird. Dies geschieht zum Beispiel, wenn man etwas hört und sofort reagiert mit „Ach ja, das kenne ich ja schon.“ oder mit „Das gefällt mir, genau so sehe ich das auch.“ In beiden Fällen beginnt der Konzentrationsprozess erst gar nicht, da man seine eigene Welt mit dem Gehörten oder Gelesenen zu schnell und zu intensiv verbunden hat. Es ist stattdessen notwendig, den Gedanken mit guter Disziplin für einige Zeit im Bewusstsein im Außen aufrecht zu erhalten, ohne auf diesen mit seinen Emotionen oder mit seinem Willen zuzugreifen. Gelingt dieser Prozess über einen ausreichenden Zeitraum und Intensität, dann beginnt der Gedanke, sich auszusprechen. Der Gedanke strahlt zurück auf den Übenden und mit der Zeit können sich damit zunehmende Erkenntnisse zu dem Gedanken entwickeln. Es handelt sich um einen umgekehrten Prozess zum intellektuellen Denken. Beim intellektuellen Denken, versucht man, aus sich selbst heraus eine Erkenntnis zu finden, bei der Konzentrationsbildung wendet man sich mit seinem Bewusstsein ganz dem Gedanken hin und schließlich kommt einem daraus eine Erkenntnis entgegen.

Das Vertrauen in den Gedanken muss aufrecht erhalten werden

Heinz Grill führte aus, dass die Entwicklung der Bewusstseinsseele wie eine Art Feuerprobe sei. Man müsse das gewohnte Terrain verlassen, es sei, wie wenn man plötzlich auf dem Wasser geht. Er verwies auf die folgende Stelle im Neuen Testament, wo Petrus dem Jesus Christus auf dem Wasser entgegengeht, und dass diese genau diese Probe beschreibe: „Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich“3 (Mt, 14, 28-31). Es würde hier außerdem deutlich, dass es ein großes Vertrauen in den Gedanken braucht, weil man sonst sofort wieder in das Gewohnte oder Vertraute zurückfällt und dann geht man – bildlich gesprochen – unter.

Unbrauchbare Formeln

Es bestehen heute leider auch sehr ungünstige Formeln wie „Beim Gedanken ansetzen, das ist zu schwierig.“, was insbesondere von einer Münchner Ärztin geprägt wurde, die einige der Teilnehmer kannten. Heinz Grill führte hierzu aus, dass der Begriff „schwierig“ nicht adäquat sei, da es im Grunde nur eine gewisse entschiedene Aktivität erfordere. Weiterhin nehme eine solche Formel auch den Mut. Das sei, wie wenn man zu einem Kleinkind sagt, dass es zu schwierig ist, laufen zu lernen. Aber auch die heute weit verbreitete Formel „Bleibe bescheiden.“, führt dazu, dass man den Geist niemals adäquat und seinen Möglichkeiten entsprechend benutzt. Eine Formel wie „Heinz Grill kann das, ich nicht.“ ist ebenfalls zu eliminieren, da sie jegliche Entwicklung blockiert.

Eine konkrete Zielsetzung schützt die Individualität

Es wurde für alle sehr deutlich, wie wichtig eine Zielsetzung für die Entwicklung der Bewusstseinsseele ist. Es ist günstig, direkt ein Konzept aufzubauen: Was möchte ich bis Ende dieser Woche entwickelt haben? Wie möchte ich bis Ende nächster Woche nach außen wirken? Was soll bis dahin entstanden sein? Und wie in einem Monat, in einem Jahr, in fünf Jahren, usw. Ein Teilnehmer stellte einen sehr guten Vergleich her, indem er die Zielsetzung mit dem Bau eines Hauses verglich. Wenn man ein Haus bauen möchte, dann braucht es eine genaue Planung, wie das Haus genau aussehen soll, und es braucht auch einen gut abgestimmten Zeitplan, bis wann welche Sache umgesetzt sein soll. Genauso konkret sollte ein Zielkonzept erfolgen. Eine fehlende eigene Zielsetzung ist aus verschiedenen Gründen problematisch: man verliert Zeit und, wie Heinz Grill ausführte, es entsteht eine Schwächung in der gesamten Weltenschöpfung, das heißt, man schwächt sowohl sich selbst, wie auch andere. Weiterhin wies er darauf hin, dass ohne eigene Zielsetzung auch die individuelle Position fehlt. Die Zielsetzung schütze die Individualität.

Die besondere Bedeutung von Zielen bei erlittenen Traumatisierungen

Im Falle von erheblichen Traumatisierungen (z.B. Beziehungsspaltungen durch falsche karmische Aussagen, gezielte Schweigepflichtverletzungen zur Demütigung des Patienten, schwerwiegende Verleumdungen mit Sekte) entsteht eine extreme astrale4 Unordnung, welche bei der Zielperson der Traumatisierung zu einem extremen Kraftverlust führt, der sogar bis zum Tod führen kann. Hier ist eine entschiedene Zielsetzung mit Formung des Gedankens im Sinn der Entwicklung der Bewusstseinsseele unabdingbar. Auf diese Weise kann der Betroffene neue Kräfte, die unabhängig von den psychischen und physischen Bedingungen sind, schaffen. Ein häufiger Fehler ist es, dass der Betroffene versucht, zum Ziel hinzukommen. Dieser Fehler entsteht aufgrund des spürbaren Kraftverlustes und des damit verbundenen Selbstwerteinbruchs. Es ist notwendig, sich hiervon vollkommen frei zu machen und unmittelbar beim Ziel anzusetzen.

Nur adäquate Ziele lassen eine Kraft entstehen

Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den Heinz Grill eindringlich hinwies, ist, dass ein Ziel auch adäquat sein muss, damit eine Kraft entstehen kann. Eine Person, die beispielsweise Lehrer ist, darf sich nicht auf die Position eines Schülers zurückziehen. Es kann nur eine Kraft entstehen, wenn die Person an der richtigen Stelle steht. Jemand, der die Fähigkeit zu einer Führungsposition hat, sollte auch dementsprechend im Leben auftreten und nicht aus Bequemlichkeit, Angst oder weil er sich aufgrund einer schwerwiegenden Traumatisierung gerade ohne Kraft fühlt, unter seinen Möglichkeiten bleiben.

Von der Freiheit des Gedankens hin zum Körper arbeiten

Ganz allgemein kann man sagen, dass die Entwicklung der Bewusstseinsseele nur möglich ist, wenn von der Freiheit des Gedankens ausgegangen und aus dieser Freiheit zum Körper hin gearbeitet wird. Nicht umgekehrt! Es dürfen der Körper und die damit verbundenen Denkmuster, Gefühlsstimmungen und Willensimpulse nicht so wichtig genommen werden. Heinz Grill rezitierte in diesem Zusammenhang einige Verse aus der Bhagavad Gita, welche genau die intensive – ja sogar die ausschließliche – Hinwendung zum Gedanken beschreiben und wie damit mit der Zeit der Übende zu diesem Gedanken wird, das heißt, dass dieser Gedanke unmittelbar durch seine Person ausstrahlt:

„Man-manā bhava mad-bhakto. Madyājī māṃ namaskuru. Mām evaiṣyasi satyaṃ te. Pratijāne priyo ’si me. Sarva-dharmān parityajya. Mām ekaṃ śaraṇaṃ vraja. Ahaṃ tvāṃ sarva-pāpebhyo. Mokṣayiṣyāmi mā śucaḥ.“ (V. 65 + 66)

und auf deutsch:

„Sei Mir zugeneigt! Werde Mein Mich Liebender und Verehrender, ein Mir Opfernder! Beuge dich vor Mir! Dann wirst du zu Mir gelangen. Dies ist Mein Wort und Versprechen an dich, denn du bist Mir lieb. Gib alle Dharmas auf und nimm deine Zuflucht allein zu Mir! Ich werde dich von aller Sünde und allem Übel befreien, sei unbekümmert!“5

Er erklärte hierzu, dass die Aussage dieser Passage am leichtesten zugänglich wird, wenn man nicht von einer Verehrung von Krishna ausgeht, sondern stattdessen immer den Gedanken einsetzt.

Durch das Ausschalten des Bewusstseins entsteht Schwarzmagie

In Bezug auf das Phänomen der Schwarzmagie wurde sehr deutlich, dass derjenige, der ausgehend von einem wahren Gedanken wirklich schöpferisch tätig wird, nicht schwarzmagisch wirken kann. Kennt man einmal die Freiheit und die Schönheit, die mit der schöpferischen Bewusstseinsarbeit verbunden ist, dann ist es schlichtweg unmöglich, zerstörerisch zu wirken. Schöpferische Bewusstseinsaktivität wirkt immer aufbauend. Als ein Beispiel für schwarzmagisches Wirken kann Hitler dienen. Hitler hatte ein sehr schwaches Ich und nicht, wie man vielleicht meinen könnte, ein starkes. Um für sich eine falsche Stärke aufzubauen, benutzte er das Kollektiv unter Ausschaltung des Bewusstseins durch manipulierende Suggestivformeln. Deshalb musste auch jeder, der eine andere Sicht der Dinge hatte, sogleich vernichtet werden. Die weiter oben erwähnte Ärztin arbeitete in diesem Sinne auf der seelischen Ebene schwarzmagisch. Schwarzmagie entsteht durch das Eliminieren des Bewusstseins.

Was fördert am meisten Beziehung?

Die Entwicklung der Bewusstseinsseele hat eine sehr förderliche Wirkung auf das gesamte Beziehungsleben. Es ist ein ganz natürliches Bedürfnis des Menschen, dass er in Beziehung sein möchte. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass dieses Bedürfnis nach Beziehung auch übergriffig auf den anderen wirken kann, z.B. wenn jemand über längere Zeit einen Mangel an Beziehung erlitten hat oder den anderen braucht, um eigene Schwächen zu kompensieren. Es überwiegt dann zu stark das eigene vom Körper ausgehende Begehren. Am leichtesten kann Beziehung entstehen, wenn der Einzelne von sich selbst weggeht und sich mit einem Inhalt oder einem Thema nach außen in Beziehung bringt. Es ist die Seele bzw. der Astralleib, der sich nach außen öffnen und ausdehnen möchte. Fehlt jedoch ein Inhalt oder ein Thema, so erschöpft sich die seelische Ebene mit der Zeit und der Astralleib schließt sich in der Folge in sich zurück, womit alte aufgespeicherte Gewohnheiten und Schwächen wirksam werden. Mit einen Inhalt oder einem Thema kommt die geistige Ebene, die Ebene der Entwicklung, zum Eingreifen und damit entsteht in Verbindung mit dem aktiven Nach-Außen-Gehen eine tragende Beziehungsgrundlage. Es ist in der heutigen Zeit, in der sehr viele spaltende Kräfte am Wirken sind, nötig zu lernen, Beziehung gezielt über die Bewusstseinskräfte herzustellen.

Die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Negativen

Gerade im Yoga und in der Spiritualität gibt es häufig die Tendenz, dass man sich selbst zu den Guten zählt und sich nur noch mit dem Schönen befassen möchte. Hier liegt ein großer und weitreichender Fehler vor, wie Heinz Grill betonte. Rechnet man sich der Gruppe der Guten zu, so entsteht ein Abgeschlossensein in der Gruppe und eine Polarisierung zu Außenstehenden, die damit die Bösen sein müssen. Eine gegenteilige Tendenz ist die der Vereinzelung, auch hier entsteht eine Art Abgeschlossenheit, aber bei dem Einzelnen selbst. Um dieses Abgeschlossensein zu überwinden, braucht es die Beziehung zum Geist. Der Geist ist mit Fragen der Entwicklung und Schöpferkraft gegeben. Durch den Geist wird der Einzelne aus der Abgeschlossenheit der Gruppe und der Vereinzelung geführt.

Gleichzeitig benötigt es im Sinne der Entwicklung eine intensive Auseinandersetzung mit tatsächlich vorhandenem Negativen, mit Angriffen, mit Lügen. Ist die Seele in einer Verbindung mit dem Geist, so kann sie durch ihre Erkenntnisarbeit über das Negative, das Negative oder das sogenannte Böse zu einer Erlösung führen. Ohne Auseinandersetzung mit dem Negativen verflachen die eigenen Ziele und Ideale mit der Zeit. Erfolgt hingegen eine Auseinandersetzung mit dem Negativen, so werden die eigenen Ideale richtiggehend befeuert und können umso lebendiger und kraftvoller aufgerichtet werden. Mit dieser Erkenntnisarbeit, die eine schöpferische Tätigkeit der Bewusstseinsseele ist, kann ein Gegner oder das Negative sogar für die eigene Entwicklung nutzbar gemacht werden. Die heute weit verbreitete Formel „Wenn du dich mit dem Negativen befasst, dann nimmst du es auf.“ ist genau in ihrem Gegenteil richtig. Der Einzelne nimmt das Negative gerade dann auf, wenn er es nicht studiert und nicht zu einer Erkenntnis führt. Denn dann wirkt es im Unbewussten und kann ihn deshalb umso mehr ergreifen.

Schöpferische Erkenntnistätigkeit führt zu seelischer Verbindung und Synergie

Am Ende dieser sehr inhaltsreichen Tage stand das Bild des Menschen, der sich mit seiner Seele eigenständig und eigenverantwortlich zum Geist in Beziehung bringt, indem er sich mit Fragen der Entwicklung intensiv auseinandersetzt und sich durchaus anspruchsvolle Ziele setzt. Er beschäftigt sich mit dem Schönen und Guten, mit dem, was entwicklungsförderlich ist. Gleichzeitig blickt er aber auch auf das Negative, das, was die Entwicklung hemmt, erforscht es und weist es an die richtige Stelle zurück. Durch die damit entwickelte Unterscheidungsfähigkeit und die schöpferische Gedankenkraft ist es ihm möglich, andere Menschen in einem förderlichen Sinne aufzubauen und dort, wo es notwendig ist, konstruktive und nicht destruktive Kritik zu üben.

Auf diese Weise ist der schöpferische Mensch ganz allgemein in einer guten Verbindung zu allen Menschen, sowohl zu denjenigen mit ähnlichen Zielen wie er selbst, aber sogar auch zu denjenigen, die ihn oder Personen, die er wertschätzt, angreifen und bekämpfen. Mit den Menschen, die ähnliche Ziele der Entwicklung anstreben, entsteht auf natürliche Weise, ohne dass dies zu einer Gruppenbildung führt, eine Synergie. Und sogar Gegner tragen, wenn sie in die Erkenntnisforschung miteinbezogen werden, zu dieser Synergie bei. Der Einzelne steht eigenverantwortlich im Leben, aber er weiß sich mit den Kollegen auf einer seelischen Ebene verbunden. In diesem Sinne kann es auch keine feste Organisation oder Institutionalisierung geben. Jeder ist selbst für seine Geistschulung verantwortlich und es entsteht nur das an Möglichkeiten der Geistschulung, wofür er sich selbst einsetzt. Eine Teilnehmerin fasste es in den einfachen Worten zusammen: „Ich bin die Gemeinschaft oder die Organisation.“ Dieses Bild – auch wenn es bisher nur ansatzweise beschrieben ist – eröffnet eine völlig neue Dimension von Beziehung und Zusammenwirken unter Menschen, die weit über die allgemein verbreitete Vorstellung von Beziehung hinausgeht. Dieses Bild gedanklich gut durchzuarbeiten, weiterzudenken und in verschiedene Bezüge zu bringen, kann wertvolle neue Perspektiven eröffnen.

Dass das Ringen um klare gedankliche Vorstellungen in Bezug auf die Bewusstseinseele und das Aufrechterhalten eines Gedankens im Bewusstsein bis zur Konzentrationsbildung zu einer tiefgreifenden Regeneration und zu einem Aufbau von neuen Kräften führt, konnte unmittelbar erfahren werden. Es war kein klassischer Urlaub mit einem Einfach-einmal-in-den-Tag-Hineinleben. Ganz im Gegenteil, wir nahmen uns straffes Programm vor, nur mit kurzen Pausen, und achteten sogar noch darauf, beim Essen nicht zu viel über das Privatleben zu plaudern, sondern auch hier mehr in einem thematischen Austausch zu bleiben. Es war zu beobachten, wie die Teilnehmer von Tag zu Tag sichtlich freudiger, dynamischer und lebendiger wurden. Am Ende des Seminars äußerten viele ihr Bedauern darüber, dass die Tage nun schon wieder vorbei wären, denn jetzt könne man eigentlich erst so richtig loslegen und die erarbeiteten Inhalte in einem weiteren Training praktisch vertiefen.

Rita Egger

Anmerkungen

1 Es gibt das Phänomen, dass man zu einer Sache sogleich ein natürliches Empfinden hat, wenn sie neu ist. Dieses Gefühl stumpft jedoch mit der sich bald entwickelnden Gewöhnung ab. Aus diesem Grund ist es notwendig, auch die gedankliche Vorstellung, die der Empfindung zugrunde liegt, zu erfassen, dann kann man das Empfinden immer wieder neu verlebendigen. Insbesondere bei Texten oder Inhalten, die die Empfindung lebhaft ansprechen, wie beispielsweise von Heinz Grill, besteht die Gefahr, dass diese Eigenaktivität des Denkens unterlassen wird und die schöne Empfindung nur konsumiert wird.

2 Moralität muss man sehr genau unterscheiden von einer moralisierenden Haltung, die heute fast die Regel ist, wohingegen wirkliche Moralität eher selten ist. Eine moralisierende Haltung entsteht dann, wenn jemand versucht, dem anderen einzureden, wie er sich zu verhalten hat und sie wird noch verstärkt, wenn derjenige selbst zwar mit seinen Worten Moral predigt, aber selbst etwas völlig anderes tut. Bei wirklicher Moralität stimmen Gedanke, Wort und Tat aus einer inneren Konsequenz heraus und nicht aufgrund einer Befolgung von äußeren Regeln vollkommen überein. Moralität wirkt unmittelbar aus sich selbst heraus und strahlt aus. Es besteht dann auch keine Notwendigkeit, andere überzeugen zu wollen.

3 Lutherbibel 2017.

4 Der Begriff „astral“ steht in Bezug zum Astralleib, der in etwa der Seele mit dem Bewusstsein und dem Unbewussten entspricht. Der Astralleib ist individuell und gleichzeitig mit dem ganzen Kosmos verbunden.

5 Sri Aurobindo: Bhagavad Gita, Kap. 18, S. 116.

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