Menschenwürde und individueller Rechtsstatus

 

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz

 

Was ist der Rechtsstatus des Individuums?

Wie steht der Mensch im Rechtsleben? Welche Position nimmt er ein, welche Rechte hat er und von welchem Menschenbild geht das Grundgesetz aus? Die Gründer des Grundgesetzes von 1949 haben nach den leidvollen, verheerenden und menschenverachtenden Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs eine bewusste Entscheidung getroffen für eine Verfassung, in der der Mensch als sich frei entfaltende Persönlichkeit, der in einen sozialen Kontext eingebunden ist, im Mittelpunkt steht. In der grundlegenden Verfassungsnorm, die wie ein Licht über allen anderen Grundrechten strahlt und in diese hineinwirkt, heißt es:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (Art. 1 GG)

 

Was bringt der Begriff der Würde zum Ausdruck?

Er kann so verstanden werden, dass jedem Geschöpf und Wesen auf Grund seiner einzigartigen Seinsbestimmung, seines Daseins oder bloßen Existenzseins eine Würde zukommt. Diese allen Wesen gleiche Würde besteht unabhängig von allen Merkmalen und Charakteristika wie Alter, Geschlecht, Religion, Berufsstand, gesellschaftlicher Status, Rasse, gesundheitlichem und geistigem Zustand und Fähigkeiten.

Etymologisch ist der Begriff „Würde“ verwandt mit „Wert“, der Wert der jedem Menschen eigen ist auf Grund seiner Existenz.

Nach geisteswissenschaftlichem Verständnis ist der Mensch mehr als ein Geschöpf, er kann sich zu einem freien geistig-moralisch schöpferischen Wesen entwickeln, besitzt eine individuelle Seinsbestimmung. So kann die Würde, soweit sie über die jedem Geschöpf verliehene hinausgeht, als eine durch das Streben des Menschen werdende bezeichnet werden, die der Mensch durch seine individuelle seelisch-geistige Entwicklung hervorbringen kann oder, im Zeitalter der Ausprägung der Bewusstseinsseele, entwickeln muss.1

Im Sinne des Grundgesetzes hat das Bundesverfassungsgericht, der „Hüter der Verfassung und Garant der Grundrechte“, den Begriff der Würde in vielen Urteilen konkretisiert:

….. Gegenüber der Allmacht des totalitären Staates (Anm.: des nationalsozialistischen),
der schrankenlose Herrschaft über alle Bereiche des sozialen Lebens für sich beanspruchte
und dem bei der Verfolgung seiner Staatsziele die Rücksicht auf das Leben des einzelnen nichts bedeutete,
hat das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet,
die den einzelnen Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt aller Regelungen stellt.
Dem liegt die Vorstellung zugrunde,
dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt“.2

Wesentlich ist für den Begriff der Menschenwürde, dass der Mensch als Subjekt, als Individuum betrachtet wird, während – in einer negativen Abgrenzung – Worte, Handlungen und Vorschriften, die den Menschen zum Objekt degradieren, als die Würde verletzend und menschenverachtend angesehen werden. So erklärte das Bundesverfassungsgericht einen vor einigen Jahren vorgesehenen Gesetzesentwurf, der den legalen Abschuss von Flugzeugen im Falle eines Angriffs durch dasselbe auch mit „tatunbeteiligten“ Menschen an Bord vorsah, unvereinbar mit dem Recht auf Leben und der Menschenwürdegarantie.

Aus diesen skizzenhaften Ausführungen mag sich ergeben, dass es keine positive, festgeschriebene oder unveränderliche Definition dieses Begriffs gibt, sondern durch Abwägung an Hand konkreter Einzelfälle Charakteristika herausgearbeitet werden, wann die Menschenwürde verletzt wird.

 

Die Würde des Menschen im Grundgesetz

Auch ist das Bild des Menschen im Grundgesetz kein abgeschlossenes, fest definiertes. Gerade weil der Mensch im Nationalsozialismus nach der herrschenden Ideologie in genau bemessener Weise zu sein und zu funktionieren hatte, stellt das Grundgesetz den sich frei entfaltenden Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt und enthält keinerlei Vorschriften, welche Lebensformen er zu wählen, welche Aufgaben er zu übernehmen habe oder wie er in seinen Eigenschaften, Fähigkeiten und Neigungen sein solle.

Es finden sich im Grundgesetz, mit der Unantastbarkeit der Würde als oberste Maxime, weitere Grund- und Freiheitsrechte, die eine Werteordnung oder auch ein Wertesystem widerspiegeln, die für den Staat und alle seine Organe verbindlich sind.

Das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 nach den die Menschenwürde und den individuellen Rechtsstatus vernichtenden Ereignissen im Nationalsozialismus.

Welche Werte und Inhalt haben diese Rechte, die in den Artikeln 1-20 GG benannt sind und den Rechtsstatus des Menschen bestimmen?

Das sog. allgemeine Persönlichkeitsrecht eröffnet dem Einzelnen einen weiten Handlungsspielraum und schützt ihn vor Eingriffen des Staates und Dritter und kommt beispielsweise zur Anwendung bei Fragen um das Recht am eigenen Bild oder auch dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit spielt eine große Rolle bei allen Fragen, die mit dem Beginn und Ende des (irdischen) Lebens zusammenhängen: Diskussionen ethisch-moralischer und rechtlicher Art begleiten die Embryonal- und Stammzellenforschung, die Gentechnik und ihre Grenzen, sowie die Frage nach der Zulässigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Aber auch alle Eingriffe staatlicher Gewalt wie Freiheitsentzug, körperliche und psychische Gewaltanwendung tangieren stets diese elementaren Rechte und bedürfen einer strengen gesetzlichen Ausnahmeregelung.

Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz normiert Art. 3 Grundgesetz: er gebietet die Gleichberechtigung von Mann und Frau und verbietet eine Ungleichbehandlung an Hand von Merkmalen wie Rasse, Abstammung, Religion und auch Behinderung.

Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind nach Art. 4 Grundgesetz unverletzlich; garantiert wird auch die ungestörte Ausübung der Religion. Damit wird der Staat im Grundsatz zu einer Neutralität in Glaubensfragen verpflichtet.

Weitere wesentliche Rechte sind das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht sich mit anderen öffentlich versammeln zu können. Die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Freizügigkeit werden gewährleistet. Der Schutz von Ehe und Familie, die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, das Recht auf freie Berufswahl und Berufsausübung stellen andere Grundrechte dar, die in vielen anderen Gesetzen näher geregelt sind und durchaus auch Einschränkungen und Voraussetzungen erfordern, wie eine notwendige Fachkunde, Ausbildung und Prüfungen in vielen Berufen wie dem des Arztes, Heilpraktikers und Handwerkers.

 

Der Begriff des Menschenwürdekern

In allen diesen Grundrechten drücken sich verschiedene Aspekte oder Facetten der Würde des Menschen aus und alle diese Rechte enthalten einen sog. Menschenwürdekern, der grundsätzlich nicht verletzt werden darf.

Betrachtet man die große Bandbreite dieser Rechte, die alle Lebensbereiche berühren, kann man sich gut vorstellen, wie häufig es zu Kollisionen oder Streitigkeit auslösenden Handlungen kommen kann. Blickt man beispielsweise in die Presse und die vielzähligen Berichte mit den unterschiedlichsten Inhalten über Politiker oder berühmte Personen, so kann man sich fragen: Ist das Interesse der Öffentlichkeit an Information höher zu bewerten als das Recht des Einzelnen auf die Wahrung seiner persönlichen Sphäre? Wird sein gesellschaftlicher, beruflicher, privater oder sogar intimer Status berührt? Basiert der Bericht auf Tatsachen und Recherchen, oder ist er vermischt mit Meinungen des Verfassers oder enthält sogar Mutmaßungen und Lügen? Was bezweckt der Schreiber? Wie weit geht das Recht eines Menschen, wenn es mit dem Recht eines anderen kollidiert?

An diesem Punkt wird deutlich, dass die Grundrechte nicht als schrankenlose Rechte anzusehen sind, sondern diese wie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit oder das Recht der freien Meinungsäußerung dort eine Schranke – unter Wahrung der Würde jedes Menschen – finden und finden müssen, wo die Rechte anderer verletzt werden, so dass die Rechtssphäre aller gewahrt wird.

 

Wie sieht die gegenwärtige Wirklichkeit aus?

Werden die Grundrechte von staatlicher Seite gewahrt oder gibt es doch zahlreiche Verletzungen der Menschenwürde, auch in einem Staat, der sich zu Freiheit und Demokratie bekennt?

Das neue sogenannte Gefährdergesetz in Bayern

In Bayern kann man jetzt auf ewig eingesperrt werden, wenn man als Person beschuldigt wird, von der eine drohende Gefahr ausgehe“, könnte es im Kurztext lauten. Unglaublich? Auf Veranlassung der CSU wurde im Juli 2017 vom Bayerischen Landtag das „Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“ erlassen.3 Die Abschaffung der bisherigen Befristung einer präventiven Verhaftung, also bevor eine Straftat verübt wird und nicht als Ahndung oder Konsequenz einer verübten Straftat, erlaubt Personen, von denen eine “drohende Gefahr” ausgeht, für jeweils 3 Monate einzusperren, wobei diese Frist von 3 Monaten jeweils – eben ohne Grenze – verlängert werden kann (Art. 20 Bayerisches Polizeiaufgabengesetz).

Kann es mit dem Grundgesetz in Einklang stehen, unbefristet lange eingesperrt zu werden, zwar auf richterliche Anordnung, aber ohne gerichtliches Verfahren und ohne eine Straftat begangen zu haben? Kann es rechtens sein, dass die Befugnisse der Polizei derart ausgeweitet werden; darf der Staat das in seiner gesetzgebenden Funktion? Oder liegt nicht vielmehr ein Verstoß gegen elementare Freiheitsrechte des Bürgers vor, unter anderem gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention?4

Noch unfassbarer erscheint mir, dass ein Gesetz wie dieses, das rechtsstaatliche Prinzipien wie die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit polizeilicher Befugnisse in mehrfacher Weise verletzt, quasi ohne Aufschrei und Widerstand der Menschen einfach hingenommen wird. Zwar entdeckt man durchaus einige kritische Stimmen dazu von Universitätsprofessoren, in den Medien5 und einigen Parteien, jedoch scheint die Tragweite dieses Eingriffes vielen Menschen nicht bewusst zu sein. Interessanterweise wurde das Gesetz in Nachrichten oft so dargestellt, als würde es wegen terroristischer Gefahren, dem IS und in Deutschland verübter Anschläge notwendig sein. Dass das Gesetz jedoch keineswegs auf Terroristen beschränkt ist, sondern jeden treffen kann, ist vielleicht weniger bekannt und bedarf zu einem Verständnis schon des Hinblickens auf den Gesetzeswortlaut.

Erfüllt weiterhin die Judikative in Deutschland als staatliche Gewalt ihre verfassungsgemäße Aufgabe in der Rechtsprechung? Wahrt sie die Würde des Menschen, stellt sie ihn als freie Persönlichkeit in den Mittelpunkt ihrer Rechtsfindung und wahrt sie damit die Grundrechte?

Aktuelle und anhaltende religiöse Diskriminierung vor Gericht in München

Massive und fortdauernde Angriffe und Beschuldigungen gegenüber Menschen, die sich als freie Persönlichkeiten sehen und für sich ihre Rechte durchsetzen wollen, haben bis hinein in gerichtliche Prozesse dazu geführt, das diese nur noch als Gruppenzugehörige und nicht mehr als individuelle Persönlichkeit und einzelne Menschen gelten und nur noch als entindividualisiertes Gruppenmitglied betrachtet und behandelt werden. Dies zeigte sich erschreckend deutlich in den Gerichtsterminen vom 8.3.2017: obwohl es einzelne Fälle mit eigenen Aktenzeichen sind, wurden vom Landgericht München I über 20 Parteien zur exakt selben Uhrzeit geladen, so dass der Eindruck einer Gruppe entstand, die vor Gericht als Gruppe auftritt. Dies wurde mit Zustimmung des Gerichts auch noch öffentlich gefilmt. Um das Bild einer angeblich gefährlichen Sekte noch mehr zu suggerieren, wurde von der Kammer ein Aufgebot von Gerichtswachtmeistern bestellt, eine Maßnahme, die es im Zivilverfahren gewöhnlich nicht gibt.

Aber auch in den Verfahren selbst führen wiederholte Vorwürfe einer Sektenzugehörigkeit, des Missbrauchs der Justiz, des querulatorischen Wahns, der Besessenheit und andere Beleidigungen und Diffamierungen durch Verfahrensbeteiligte und ihre Anwälte dazu, dass die Richter die Rechtssuchenden nicht mehr als einzelne Menschen anschauen – wozu sie verfassungsrechtlich verpflichtet sind – sondern nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe und damit verfassungswidrig entscheiden. Dies äußert sich durchaus auch mittelbarer und verborgener, indem Personen, Verfahrensbeteiligten und Zeugen, ihre Glaubwürdigkeit ohne nachvollziehbare und rationale Prüfung abgesprochen wird oder die Richter irrationale, rechtlich nicht haltbare Entscheidungen treffen, weil sie den individuellen Rechtsstatus absprechen und eine Gruppenzuordnung betreiben. Wird aus einem Gesetzesstaat ein Richterstaat, sind die Richter nicht mehr Diener, sondern Herren der Rechtsordnung?

 

Ein Blick auf die UN-Charta und die UN-Menschenrechte

Die UN Charta und die UN Menschenrechte bekunden einen Glauben an die Würde und den Wert der menschlichen Persönlichkeit, die Absicht gerechte Bedingungen zu schaffen, den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern. Die Mitgliedstaaten wollen als gute Nachbarn in Frieden miteinander leben und den Weltfrieden wahren.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (Zusammenschluss von derzeit 193 Staaten) vom 10.12.1948, die für alle Menschen gültige Menschenrechte grundgelegt haben, stellt eine große Errungenschaft für die Menschheit dar.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

(Art. 1 AEMR)

Inhaltlich beziehen sich die UN-Menschenrechte insbesondere auf ein Verbot jeglicher Diskriminierung, ein Recht auf Leben und Freiheit, Anerkennung als Rechtsperson, Gleichheit vor dem Gesetz, Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren, die Unschuldsvermutung in gerichtlichen Verfahren, Freiheitssphäre des Einzelnen, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.

 

Wie sieht hier die Wirklichkeit aus?

Obwohl Südafrika zu den Gründungsmitgliedern der UN gehörte, hat die herrschende National Party in den folgenden Jahren ab ca. 1950 bis 1990 eine strikte und konsequente Rassentrennung betrieben, die die schwarze Bevölkerung, die Coloured und später Asiaten streng von der weißen Bevölkerung trennte und den ersteren 3 Kategorien ihre Menschen- und Grundrechte absprach.6 Obwohl die UN-Menschenrechte eine Diskriminierung auf Grund einer Rassenzugehörigkeit verbieten, hat die „weiße Regierung“ die Apartheidsgesetze immer mehr verschärft: Heirat, Schulbesuch, Arbeit und Wohnort wurden zwangsbestimmt. Erst 1991 wurden die Apartheidsgesetze für ungültig erklärt. Eine herausragende Persönlichkeit im Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit ist Nelson Mandela, der 26 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbrachte, nachdem die Oppositionspartei, der er angehörte, verboten und damit kriminalisiert wurde. An Hand des Films „Invictus“ kann man gut studieren, welche hohen Ideale wie Freiheit, Gleichheit und Gleichberechtigung Nelson Mandela dachte und umsetzte.

Es scheint eine große Widersprüchlichkeit darin zu liegen, UN Mitgliedsstaat zu sein und über Jahrzehnte eine auf Trennung, Separierung und Diskriminierung beruhende Apartheidspolitik mit entsprechenden Gesetzen zu verfolgen. Als Mitgliedsstaat der UN wurden gegen Südafrika von 1974 bis 1994 zahlreiche Sanktionen verhängt, die vom Ausschluss von der UN Vollversammlung bis zu Waffenembargos und wirtschaftlichen Sanktionen reichten.

Die UN Charta begründet in Art. 2 ein Verbot von Gewalt:

“Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen
jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete

oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.”

Dass diese rechtlichen Verpflichtungen auch von anderen Staaten nicht eingehalten werden, zeigen die vielen – grundsätzlich illegalen – Kriege, wie Angriffskriege auf Syrien oder Afghanistan, die von den USA, aber auch den NATO-Mitgliedsstaaten, zu denen auch Deustchland gehört, ausgehen oder mitgetragen werden. Interessante und gut recherchierte Ausführungen dazu finden sich in Vorträgen und Videos von Dr. Daniele Ganser.

 

Sind die UN-Menschenrechte verbindlich?

Die UN-Menschenrechtscharta eröffnet für den Einzelnen keine Möglichkeit eines Rechtsweges, es gibt noch keinen „Weltgerichtshof oder ein international zuständiges Gericht für Menschenrechte“. Im Allgemeinen ist der Mensch erst einmal auf das jeweilige nationale Recht des Staates verwiesen, dem er angehört oder in dem er lebt. Nicht alle Staaten haben die Menschenrechte gleichlautend mit den UN-Menschenrechten ratifiziert, das heißt in innerstaatlich geltendes Recht umgesetzt.

 

Was kann der Einzelne tun, um den individuellen Rechtsstatus zu erhalten?

Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu schützen und zu achtenist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 GG)

Wie kann der Mensch selbstständig und aktiv dazu beitragen, dass sein Rechtsstatus, der ihm auf globaler Ebene durch die UN Menschenrechte, auf europäischer Ebene auf Grund der Europäischen Menschenrechtskonvention und auf deutscher Ebene durch das Grundgesetz garantiert wird, gewahrt, erhalten und gefördert wird?

Ein erster Schritt könnte sein, den Rechtsstatus an Hand der Grund- und Menschenrechte zu studieren und sich mit den vielfältigen Begriffen wie Würde, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auseinanderzusetzen. Vielleicht würde auch die Entwicklung von Interesse und Wertschätzung gegenüber den quasi als Ideale formulierten Rechten zu deren Verlebendigung und größerem Wirksamwerden beitragen? Im Bewusstsein dieser Rechte kann er sich deren fundamentalen Wert für ein friedvolles und ehrwürdiges Zusammenleben vergegenwärtigen und auch ganz persönlich für ihre Einhaltung eintreten.

Auf europäischer Ebene wurden durch die Einrichtung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte große Fortschritte erzielt, die dem Einzelnen den Rechtsbehelf der Individualbeschwerde eröffnen, wenn der Rechtsweg auf nationaler Ebene ausgeschöpft ist.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ (Art. 1 AEMR)

Wie wichtig es den Begründern des Grundgesetzes war, dass es als Leitstern alles gesetzgebende und staatliche Handeln bestimmt, zeigt sich in Art. 20 GG, wo sie in Abs. 3 und 4 ausdrücklich festlegten:

Abs. 3 Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“

Abs. 4 Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

 

Caroline Elsaesser
Juristin
April 2018
http://www.caroline-elsaesser.de/

Anmerkungen:
1 Zum Begriff der Würde vgl. http://anthrowiki.at/W%C3%BCrde
2 BVerfG Urteil vom 25.2.1975 und BVerfGE 39, 67
3 Wortlaut und Begründung: https://www.innenministerium.bayern.de/assets/stmi/ser/gesetzentwuerfe/gesetzentwurf_-_gesetz_zur_effektiveren_%C3%9Cberwachung_gef%C3%A4hrlicher_personen.pdf
4 Wortlaut Art. 5 EMRK https://dejure.org/gesetze/MRK/5.html
5 Kritische Stimmen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=39325
6 http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/219628/apartheid-gesetze7 http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidun-gen/DE/2006/02/rs20060215_1bvr035705.html

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