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Die individuelle Willenskraft bedarf aufgrund der „Corona-Lähmung“ einer dringenden Stärkung

Willensstärkung beim Lesen von spirituellen Texten

Teil 1

Das Lesen in spirituellen Schriften, aber auch in Büchern oder Zeitungen kann so gestaltet werden, dass die menschliche Willenskraft dabei angeregt wird. Im besonderen Maße trifft dies für spirituelle Schriften zu, da in ihnen häufig zusätzlich ein Potential zur Willensstärkung liegt. Durch ein richtiges Lesen kann dieses schon beim ersten Studium des Textes wirksam werden. Je günstiger der Leser ein geordnetes Grundverhältnis zu einem spirituellen Text findet, desto klarer können die Gedankeninhalte auf freie Weise wahrgenommen werden und sowohl auf den Leser als auch in die umliegende Sphäre mit ihrer inspirierenden und stärkenden Kraft zurückwirken.

Die seit einem Jahr bestehenden Corona-Einschränkungen zwingen viele Menschen in ein Warten und Hoffen. Im Untätigsein können weder eine gesunde Tatkraft eingesetzt noch die individuellen Willenskräfte genützt werden und lähmen sich mit jedem Tag mehr herab. Lesen könnte in dieser Zeit eine wertvolle Möglichkeit sein, auf neue, bisher nicht gedachte Inhalte aufmerksam zu werden, die eine Perspektive für die Zukunft eröffnen und stärkende Antriebskräfte im einzelnen Individuum und für das soziale Leben freisetzen. Für diese stärkende Art des Lesens habe ich einen Artikel von Heinz Grill ausgewählt. Es könnten Texte mit ganz unterschiedlichen Themen hierfür gewählt werden, da mir aber die Frage nach der Willensstärkung aktuell so notwendig erscheint, fiel meine Wahl auf einen Artikel, der sich gerade dieser Frage der Willensstärkung widmet. Heinz Grill hat sich sehr intensiv aus seelischer und vor allem geistiger Sichtweise diesem Phänomen der Willensschwächung und Willensanregung gewidmet. In dem Artikel mit dem Titel: „Geistschulung kann den Willen und die Gesundheit erbauen“.* werden sehr weitreichende Zusammenhänge aufgezeigt, die durch die rechte Disziplin des Lesens einerseits und die Inhalte selbst eine gesunde Anregung im Willen geben können.

Ein geordnetes Verhältnis beim Lesen wirkt bereits stärkend und beziehungsfördernd

Beim Lesen eines spirituellen Textes erscheint es mir wesentlich, zu erwähnen, diesen nicht aus der Gewohnheit als bloße Quelle von Informationen zu verstehen und diese zu den bereits erworbenen Informationen hinzufügen, denn auf diese Weise bleibt der feinere spirituelle Gehalt eher verborgen und unbemerkt. Lesen sollte deshalb vielmehr als ein In-Beziehung-Treten zur gesamten Komposition des Textes, zu den einzelnen Gedanken und dem inneliegenden geistigen Potential und auch zum Autor verstanden werden. Der Leser stellt sich dem Text aktiv als Betrachter gegenüber und blickt interessiert auf die dargestellten Inhalte. Er nimmt sich die Zeit, die Gedanken des Textes aufmerksam wahrzunehmen, so wie sie dargestellt sind, ohne etwas hinzuzufügen oder zu verändern und verzichtet darauf, die Gedanken sogleich zu interpretieren und schnell für sich nutzbar zu machen.

Es liegt eine ungewöhnliche Herausforderung darin. Der Betrachter bleibt Betrachter und blickt auf den Text wie auf ein außenstehendes Objekt, ohne eine Vermischung von sich und dem Text herbeizuführen. Auf diese Weise entsteht eine erste ruhige und solide Ordnung, in der der Leser dem zunächst unbekannten Textinhalt und seiner Originalität sachlich und objektiv gegenüber tritt. Ganz natürlich nimmt er damit auch dem Autor des Textes gegenüber eine eigenständig wahrnehmende Position ein. Indem er dessen Gedankengängen und Beweggründen begegnet, sie näher erforscht, beginnt er dessen Person kennenzulernen und baut in diesem aktiven Verhältnis eine Beziehung zu ihr auf.

In dieser klaren Gliederung zwischen Betrachter und Text beginnt die stärkende Disziplin des Lesens. Der Leser liest zunächst aufmerksam und mit Interesse die Sätze und stellt sich dann Fragen nach den wesentlichen Aussagen in jedem Absatz. (Der Originaltext ist in grüner kursiver Schrift gehalten.)

„Geistschulung kann den Willen und die Gesundheit erbauen

Ungünstig für die Disziplin des Lesens wäre es beispielsweise, wenn der Leser gleich zu Beginn an seine persönlichen Vorstellungen von Gesundheit denken oder den Begriff Geistschulung gemäß eines Buches von einem anderen Autor interpretieren würde. Seine eigenen Erfahrungen und Überzeugungen würden sich sofort mit dem gelesenen Text vermischen und eine vorgefertigte Meinung würde ihn weniger aufmerksam dafür sein lassen, wie der Autor dieses Textes die Begriffe sieht und was er zum Ausdruck bringen will.

Ohne diese Vermischung könnte der Leser ganz frei auf den Text schauen und bemerken, dass in der Überschrift ein sehr weiter Bogen gespannt wird über drei große Bereiche oder Phänomene des Lebens – Geistschulung, Wille und Gesundheit. Des weiteren nimmt er wahr, dass sie in einen Zusammenhang zueinander gestellt sind und er kann sich die Frage stellen, was der Autor unter Geistschulung versteht, was für ihn Gesundheit bedeutet und welche Rolle er hier dem Willen beimisst.

Fragen zu einzelnen Begriffen eröffnen einen Dialog mit dem Autor

„Einseitigkeiten, seelische Rückzüge und Isolation gefährden Psyche und Physis des Menschen“

Der Leser nimmt Begriffe, Einseitigkeiten, seelische Rückzüge und Isolationen wahr und kann sich fragen, ob diese in Bezug auf die im Titel erwähnte Gesundheit eine besondere Rolle spielen.

Der menschliche Wille benötigt tägliche Herausforderungen zu geeigneten Umsetzungen seiner in ihm liegenden Kräftepotentiale. In ihm liegt das tiefste Geheimnis der Bewegung und man könnte sagen, dass Willenskraft nicht nur die urtypische Energie des Lebens darstellt, sondern die mysteriöse Dynamik repräsentiert, die in dem Phänomen allen Bewegtseins beheimatet ist. Das Mysterium aller Bewegungskunst drückt sich im Element des Wollens aus.“

Mit den ersten Zeilen des Artikels beschreibt der Autor nun tatsächlich, wie er den Begriff des Willens versteht. Er charakterisiert ihn als eine geheimnisvolle Kraft, als eine Instanz, in der ein Kräftepotential inneliegt und in dem das tiefste Geheimnis der Bewegung und allen Bewegtseins beheimatet ist. Ein ruhiges Betrachten der Worte und vielleicht mehrmaliges Lesen des Gesagten kann im Leser ein erstes Bild entstehen lassen, dass er mit seinem Willen eine bedeutungsvollste und gleichzeitig geheimnisvolle Dimension in sich trägt, die er jedoch selbst aktivieren kann.

Es bedeutet eine wirkliche Disziplin und eine Willensanforderung für den Leser, aufkommende Assoziationen und Wissen aus anderen Büchern zunächst einmal zurückzuhalten und sich ganz unbefangen auf einen Text einzustellen. Indem er zunächst sehr nah am Gelesenen bleibt, erschließen sich ihm nach und nach die verschiedenen Bezüge in den Aussagen und er entdeckt das Anliegen und die wesentlichen Grundgedanken, die diesem Autor wichtig erscheinen. Würde er zu früh auf seine eigenen Kenntnisse und Erfahrungen zurückgreifen und diese in das Gelesene hinein mischen, dann könnte die Essenz des gerade Gelesenen kaum in ihrer Klarheit hervortreten. Obwohl der Leser sich mit seinen eigenen Bewertungen und Interpretationen gänzlich zurückhält, bleibt er in keinster Weise passiv und wird in seinem eigenständigen, objektiven Wahrnehmen und konkreten gedanklichen Erfassen sogar gestärkt.

Kinder, die nicht mehr zur Schule gehen müssen, sondern zu Hause ohne Kameraden am Computer lernen, lösen sich weniger aus den engen Verhältnissen der Mutter- und Vaterbindungen; das ist ein Umstand, der bereits zur frühen Schwächung der Urbildekräfte des Willens führt und sich in wachsendem Maße in der Anlage des Kindes manifestiert. Dem Erwachsenen, dem das Reisen in der Coronakrise verboten ist, bleiben die Strapazen von Flughäfen, Verkehr und den daraus unerwarteten Turbulenzen erspart. Welch ein Vorteil! Nein, es fehlt dem nach Raum und Ausdehnung bedürftigen Menschen die Herausforderung zur Begegnung, zur neuen Vision und zur Erweiterung des Erlebens. Er gewöhnt sich an seine enge Atmosphäre des Zuhauses und seine Lunge atmet nicht mehr die Luft von ganz anderen klimatischen Verhältnissen. Es bildet sich eine Schwächung durch diese Einengungen und Monotonien. Die Isolationen, die mit dem Lockdown entstehen, tragen deshalb jeden Tag zu Reduzierungen des Willenspotentials bei. Dem Menschen fehlen in der Regel die natürlichen Abwechslungen der Sinne und die Herausforderungen von lebendiger menschlicher Kommunikation. Digitalarbeit reduziert die Beziehungsfähigkeit sicherlich um 80 %. Die Arbeit im Homeoffice führt langsam zur Vereinseitigung der Anforderungen und schließlich zu einer Erlahmung des inneren Bewegungslebens, das so wichtig wäre für ein regeneratives psychisches und physisches Gesundsein.“

In diesem Absatz folgen nun anschauliche Beispiele dazu, welche Einflüsse, ganz praktisch gesehen, auf den Willen stärkend wirken und welche Bedingungen, die vor allem die Coronazeit prägen, das Willenspotential schwächen.

Es könnte aus dem Absatz eine einzelne zentrale Aussage herausgegriffen werden, etwa
„ … es fehlt dem nach Raum und Ausdehnung bedürftigen Menschen die Herausforderung zur Begegnung, zur neuen Vision und zur Erweiterung des Erlebens“ und die Frage gestellt werden, wo das Bedürftigsein nach Raum und Ausdehnung, nach Erweiterung des Erlebens im eigenen Leben oder bei anderen Menschen zu beobachten ist. Es könnte auch die Frage gestellt werden, was Heinz Grill unter „neuen Visionen“ versteht, da dies sicherlich verschieden interpretierbar ist, und ob es sich im weiteren Text erschließt. Vorschnelle Interpretationen würden den freien Blick verengen und den gesamten Kontext vielleicht sogar in eine andere Richtung lenken. Eine weitere Frage könnte sein, ob Heinz Grill das Weitwerden des Menschen nach außen zu neuen Möglichkeiten aus geistiger Sicht als ein Ideal für das Gesundsein versteht.

Unverfälschtes Erinnern eines Gedankens mit originalen oder eigenen Worten

Das menschliche Verdauungssystem ist beispielhaft für die Prozesse des Willens. Wer einen guten Magen und einen regen Stoffwechsel besitzt, kann sich schneller von nervlichen Überlastungen erholen und regenerieren. Aber dieses Verdauungssystem braucht gesunde Außeneinflüsse vonseiten der Psyche und darüber hinaus viele Abwechslungen durch die Sinne und vonseiten der zugeführten Ernährung. Es ist ein System, das nicht nur die Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette aufnimmt, sondern das sehr sensibel auf die Umwelt und auf psychische Einflüsse reagiert. Es benötigt von der physischen Seite ein Wechselspiel von Eiweißen, Mineralien, Vitaminen, Spurenelementen, Fettsäuren und Kohlenhydraten. Neben der Variabilität in der Aufnahme von verschiedenen Produkten erscheint die Zubereitungsart ebenfalls sehr bedeutungsvoll, die nicht immer von den gleichen Personen bestellt sein sollte. Wer beispielsweise in ein anderes Land fährt und die dortige Nahrung, wie sie original angeboten wird, zu sich nimmt, muss sich mit seinem inneren Willensapparat auf die andersartigen Produkte und die meist vollkommen unterschiedliche mentale Verfasstheit der fremden Küchentraditionen einstellen. Der Konsument isst nicht nur materielle Stoffe, sondern er nimmt die gesamte Atmosphäre unbewusst in sein System auf. Die Organe wie die Leber und der gesamte Verdauungsapparat partizipieren deshalb nicht nur mit den Stoffen, den materiellen Umständen, sie nehmen sogar auf intensive Weise, wie dies äußerlich sichtbar ist, an der ganz anderen Kultur und an den Gefühlen dieser fremden Wirklichkeit teil. Diese Herausforderungen der ganz anderen Wirklichkeiten sind für die Erkraftung der innersten Willensgrundlage im Menschen unbedingt wichtig. Sie dürfen nicht fehlen.“

In diesem Absatz wird nun auf das Verdauungssystem Bezug genommen und dessen Zusammenhang zum menschlichen Willen dargestellt. Das Bild des Ausdehnens nach außen, wie es in der Begegnung mit unbekannten, neuen, ganz anderen Wirklichkeiten beschrieben ist, begegnet dem Leser hier mit einem weiteren Aspekt wieder und lässt das Bild der damit verbundenen Herausforderung für die innerste Willensgrundlage im Menschen noch umfassender werden. Das Verdauungssystem wird sogar als „innerer Willensapparat“ beschrieben und seine regenerierende Kraft bei Überlastungen des Nervensystems betont.

Der Leser könnte vielleicht nach mehrmaligem Lesen einen zentralen Gedanken näher in die Betrachtung rücken, wie etwa Diese Herausforderungen der ganz anderen Wirklichkeiten sind für die Erkraftung der innersten Willensgrundlage im Menschen unbedingt wichtig“ und ihn eventuell mit originalen oder eigenen Worten wiedergeben, ohne den Sinn zu verfälschen. Etwa wie folgt: Andere Wirklichkeiten, die über die eigene bisher bekannte und gewohnte Wirklichkeit hinausgehen, fordern den Menschen in seinem Willen heraus, über sich selbst hinauszublicken und wirken deshalb auf seine innerste Willensgrundlage stärkend.

Vom abstrakten Begriff zur lebendigen Empfindung

„Allgemein darf deshalb gesagt werden, dass die Willensgrundlagen die tiefen Persönlichkeitsstrukturen im Menschsein repräsentieren und wenn sie stark sind, eine gute Gesundheit generieren. Die Stärke des Willens bemisst sich nicht ausschließlich an der Fähigkeit in einem Moment ein Gewicht stemmen zu können, sondern sogar vielmehr an der Begegnung und Stabilität gegenüber dem Fremdartigen und der Außenwelt. So ist beispielsweise jemand in seinem Willen stärker, wenn er in Situationen, die ihn ängstlich anmuten oder ihn mit Emotionen hinweg reißen wollen, einen klaren Gedanken bewahren kann und sichere Entscheidungen zu treffen vermag. Abhängigkeiten zum Körper oder zu seinen Derivaten, den so wohl bekannten, überwältigenden Emotionen oder sogar den Suggestionen, die in der Zeit bestehen, schwächen die Gesundheit und die innere Persönlichkeitsstruktur, während eine klare Haltung, die edlen und moralisch hochstehenden Zielen treu ist, sich selbst im rechten Moment in den Anhaftungen und kleinlichen Sorgen überwinden kann, auf eine gute und gesunde Persönlichkeitsstruktur hindeutet.“

In diesem Absatz wird von Heinz Grill die Dimension des Willens noch einmal erweitert, indem er ihn als repräsentativ für die tiefen Persönlichkeitsstrukturen charakterisiert. Auf dieser Ebene der Persönlichkeit beschreibt er eine klare Haltung, die sich in der Treue zu edlen und moralisch hochstehenden Zielen gründet, als einen Ausdruck einer guten Willensgrundlage in der Persönlichkeit, die den Menschen befähigt, kleinliche Sorgen und Ängste zu überwinden. Gesundheit beschreibt er wiederholt in direktem Zusammenhang mit der Stärke in der Persönlichkeitsstruktur. In einer ruhigen Anschauung zu den Gedanken oder auch nur zu einer Aussage, wie „So ist beispielsweise jemand in seinem Willen stärker, wenn er in Situationen, die ihn ängstlich anmuten oder ihn mit Emotionen hinweg reißen wollen, einen klaren Gedanken bewahren kann und sichere Entscheidungen zu treffen vermag“, wandelt sich der zunächst abstrakte Begriff des Willens in eine feinere Empfindung über seine Dimension für ein selbstbestimmtes Leben und daraus folgend für die Gesundheit.

Lesen kann in diesem mehr objektiven Sinne erfolgen oder es können bereits beim Lesen die ausgeführten Worte verworfen oder mit eigenen Erfahrungen und Interpretationen schnellfertig überdeckt werden, noch bevor sie in ihrer gesamten Aussage wirklich angeschaut und in ihrer inneliegenden Substanz bemerkt werden. Die eigenen Erfahrungen und Kenntnisse sind meist sehr drängend und wollen sich in den Vordergrund schieben und so ist es durchaus eine hohe Herausforderung und Kunst, diese zurückzuhalten und das Interesse und Wahrnehmen für die Inhalte und Argumente des anderen so lange aufrecht zu erhalten, bis sie wirklich hervortreten. Es hängt von der eigenen Willenskraft ab, wie weit dies möglich ist. Sie kann beim Lesen geschult werden und drückt sich schließlich in einer wachsenden Kraft für ein objektives Wahrnehmen und empathisches Einfühlen zum Text, aber auch allgemein im Leben zu den Menschen aus.

In Kürze erfolgt eine Fortsetzung mit weiteren Möglichkeiten und aufbauenden und gesundheitsfördernden Wirkungen des aktiven Lesens, Studierens und Belebens der Gedanken durch den Leser, bei dem die nächsten Abschnitte des begonnenen Artikels von Heinz Grill betrachtet werden.

Sigrid Königseder

*Ganzer Artikel als Pdf

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